Eine meiner letzten Touren führte mich Mitte Januar tief in den wilden Osten. Genauer gesagt in den Thüringer Wald.
Der Wintersport hat im Thüringer Wald schon eine lange Tradition, nur sind es mehr die nordischen Disziplinen für die dieser Flecken Deutschland bekannt ist. Von herausragender überregionaler Bedeutung ist selbstverständlich der jährliche Biathlon Weltcup. Bis zu 60.000 Zuschauer pilgern alljährlich nach Oberhof um die Athleten und sich selbst zu feiern. Diese, unter deutschen Coutchkartoffeln, beliebteste aller Wintersportarten rückt die Region regelmäßig in den Blick der Öffentlichkeit. Wenngleich der alpine Bereich mitunter dahinter zurückstehen muss, hat sich gerade um Oberhof herum ein beachtliches Wintersportzentrum mit Loipen, Rodelbahnen, Sprungschanzen und sogar einer Langlaufhalle in der man auch im Sommer auf Schnee langlaufen kann, etabliert.
Skifahrer mussten in der Saison 2017/2018 vertröstet werden. Der geplante Umbau der Doppelsesselbahn am Fallbachhang zu einer fixgeklemmten Vierersesselbahn hat sich so verzögert, dass die alpine Wintersaison in Oberhof ins Wasser gefallen ist. Für ambitioniertere Skifahrer stellt dies gleichwohl keinen großen Verlust dar. Auch wenn er das Wintersportangebot Oberhofs abrundet, stellt er keine große Herausforderung dar. Die Entscheidung eine fixgeklemmte Doppelsesselbahn durch eine ebenfalls fixgeklemmte Vierersesselbahn zu ersetzen muss indes auch nicht weiter kommentiert werden. So kam dieser Hang für einen Besuch schon von vorneherein nicht in Frage.
Um 5 Uhr in der Frühe sattelte ich Bonn meinen treuen Begleiter mit den 69 PS auf, um der Sonne entgegen zu reiten. Dieser Winter war bis dahin zwar nicht sehr kalt, aber in den Höhenlagen der Mittelgebirge recht schneereich. Und auf viel Naturschnee ist der Lift den ich nun ansteuerte angewiesen. Der Salzberglift im suhler Ortsteil Goldlauter ist nämlich das exakte Gegenteil des erwähnten Fallbachhanges in Oberhof. Steil, rustikal, einzigartig.
380 Km Anfahrt für einen einzigen Skilift – Ökobilanz negativ (aber das ficht den Outlaw nicht an)
Aber ehe ich meine 69 Pferdestärken an dem Holzbalken der Talstation anbinden konnte, hatte ich noch vier Stunden Fahrt vor mir. 380 Kilometer für einen Skilift. An dieser Stelle hätte ich Verständnis dafür, wenn mich der ein oder andere für Verrückt erklärt. Rechtfertigend sei aber darauf hingewiesen, dass ich auf dem Rückweg noch einen Abstecher zu einem anderen interessanten Lift in der Rhön gemacht habe, dem an dieser Stelle ebenfalls bald ein eigener Beitrag gewidmet wird.
Die längste Strecke meiner Anreise verlief weitgehend schneefrei. Lediglich in den Hochlagen der Rhön und dann erst die letzten Kilometer vor Suhl hat sich der Winter gezeigt. Dafür dann aber richtig.
Wie so viele andere Orte der neuen Bundesländer hat Suhl seit der Wende einen nicht unerheblichen Teil seiner Einwohnerschaft verloren. Lebten hier vor der Wende noch über 50.000 Menschen, sind es heute nur noch ca. 35.000. Der Ort der im Sommer auch für sein Waffenmuseum bekannt ist, wird leider noch von einer Reihe DDR-typischer Plattenbauten dominiert, die sich so an die Hanglagen der Stadt schmiegen, dass sie nahezu immer im Blick des Betrachters verbleiben. Diese Bausünden beeinträchtigen ein wenig das sonst beschauliche Bild, welches die Stadt abgibt. Auf der anderen Seite sind sie aber auch Zeugen der Vergangenheit und somit Teil der Geschichte der Stadt.
Auf dem Weg zum Skilift am Salzberg lässt man diese allerdings hinter sich und man durchfährt den dörflichen Ortsteil Goldlauter. Der Schnee an den Straßenrändern türmte sich immer höher und die Straßen wurden enger und enger je näher ich meinem Ziel kam. Irgendwann begann ich mir sorgen zu machen, ob ich es mit meinem Gefährt überhaupt schaffen würde.
So stand ich Greenhorn mit meinem Fiat irgendwann vor einer schier unüberwindbaren weißen Mauer, die irgendwo am Horizont in dem Waldstück mündete, das die letzten 500 Meter vor dem Lift markiert. Ich stieg aus und bat einen schneeschippenden Gringo um Rat. Auf meine Frage, ob es denn die restlichen Meter so steil weiter gehen würde, antwortete er mir nur, dass es mit Winterreifen und ein wenig Anlauf schon schaffen würde. Bis jetzt sei noch (fast) jeder da hoch gekommen. Also nahm ich all meinen Mut zusammen, drückte das Gaspedal ganz durch und fand mich zwei Minuten später tatsächlich am Parkplatz des Liftes wieder.
Dennoch sind Winterreifen bei der schmalen und engen Anfahrt eine dringende Empfehlung. Noch kriminellere Anfahrten habe ich nur in den belgischen Ardennen erlebt. Dazu dann auch irgendwann mehr.
Vom Volkseigenen Betrieb zum Alpine Skiclub
Der Salzberglift befindet sich in einem engen Talkessel westlich des Großen Eisenberges und nicht weit entfernt von der höchsten Erhebung des Thüringer Waldes, dem 983 Meter hohen Großen Beerberges.
Er wird betrieben vom 1991 gegründeten Alpine Skiclub Goldlauter und finanziert sich wohl zum Großteil aus den Mitgliedsbeiträgen der Mitglieder und Spenden. Somit ist es dem ehrenamtlichen Engagement der Mitglieder zu verdanken, dass wir heute noch an einem solchen Lift Skilaufen können. Der verkauf von Liftkarten dürfte für einen kostendeckenden Betrieb jedenfalls nicht ausreichend sein. Diese Einschätzung bestätigte mir auch eines der vielen freundlichen Skiclub Mitglieder mit dem ich während der Schleppliftfahrt ins Gespräch kam.
Vor der Wende wurde der Lift noch im Rahmen eines volkseigenen Betriebes geführt. So ist die Anlage auch aus technischer Sicht keinem der großen Hersteller zuzuordnen, den man aus den Skigebieten der Alpen oder der anderen westlichen Mittelgebirge kennt. Der Lift ist ein lupenreiner DDR-Eigenbau. Während der Dieselmotor durch eine Öffnung außerhalb des Lifthauses seine Arbeit verrichtet, sind die Stützen des Liftes in einem freundlichen blau gehalten und die Anker mit gemütlichen Holzbalken versehen.
Der Lift hat eine Länge von gut 900 Metern und überwindet auf dieser Strecke etwa 230 Höhenmeter. Damit ist er der längste und steilste Thüringens. Dementsprechend schlägt auch eine verhältnismäßig lange Liftfahrt zu Buche. Mit einer Hochgeschwindigkeitsanlage neueren Zuschnitts kann sich der Lift ohnehin nicht messen. So bleibt während der Fahrt dann auch genug Zeit um sich den Hang noch einmal genauer anzuschauen und gegebenenfalls Zweifel zu entwickeln.
Bei meinem Besuch ist am Tag zuvor viel Neuschnee gefallen; man hatte die Piste das letzte mal vor zwei Tagen grundpräpariert. Also lagen bei kalten Temperaturen gute 30 Zentimeter frischer, trockener Pulverschnee auf ca. 50 Zentimeter komprimiertem Altschnee. Besser konnte es gar nicht sein. Der Haupthang ist grob in vier Abschnitte einzuteilen. Direkt nach dem Ausstieg in zirka 830 Meter höhe muss man zunächst einige Meter anschieben ehe man zum eigentlich Einstieg in die Piste gelangt. Von dort aus offenbart sich dem eher mittelmäßig versierten Skifahrer wohl das erste mal, dass die kommende Abfahrt vielleicht doch mit den ein oder anderen Schwierigkeiten verbunden sein könnte. Am Starthang geht es nämlich direkt einmal steil in einer geraden Linie runter auf halbe Höhe. Hinzu kam an jenem Tag eben der Tiefschnee, der im weiteren Tagesverlauf zu einer gewissen Buckelbildung beitrug.
Hat man diesen Starthang hinter sich gelassen, kann man sich erstmal etwas Zeit zum Verschnaufen nehmen. Auf halber Höhe des Liftes wird es nämlich zunächst ein bisschen sanfter. Am Seitenrand deuten ein kleines Lifthäuschen und eine Stahlkonstruktion an, dass der Lift zumindest in der Vergangenheit über eine Zwischenstation verfügt haben könnte. Entweder um sich den oberen steilen Abschnitt zu sparen, oder etwaigem Schneemangel im Tal auszuweichen. Wie schon einmal erwähnt, war das am Tag meines Besuches kein Problem. Ein Local mit dem ich mich im Lift unterhielt, schätzte die Schneelage am Gipfel auf einen guten Meter.
Freeride Mekka des Thüringer Waldes
Gerade die Locals nutzten die überaus gute Schneelage auch dafür, Abstecher in die verschneiten Wälder links und rechts des Haupthanges zu unternehmen.
Ohnehin scheint Goldlauter das Freeride Mekka des Thüringer Waldes zu sein. Hier begegnete ich immer wieder Telemarkern und Locals mit Fatski die in die teils dichten und teils lichten Wälder abbogen. So erklärte mir einer von ihnen auch die zahlreichen Varianten die man einschlagen kann. Ich habe nur die zwei wesentlichen Routen in meinen Plan eingetragen und selbst nur ein kurzes Stück links des Starthanges ausprobiert. Da ich nicht mit solch genialen Verhältnissen rechnete, nahm ich meine alten „Steinski“ mit.
Bei den Routen sei jedoch darauf hingewiesen, dass es sich dabei keinesfalls um offizielle Pisten handelt. Ohne Ortskenntnisse und vor allem exzellente Skibeherrschung ist von einem Ausritt in die Wälder auf jeden Fall abzuraten.
Wer es gemütlicher mag, auf den wartet an der Talstation natürlich ein Saloon. Auch wenn es die Siedler hier Liftbaude nennen, lädt sie gleichwohl zum Verweilen Essen und Trinken ein. In der Nähe der Liftbaude steht auch die einzige Schneekanone des Hanges. Ausweislich der Homepage (www.skilift-goldlauter.de) wurde die Beschneiungsanlage für den Skihang 2001 genehmigt. Ob die Anlage aber tatsächlich feuert wenn es die Temperaturen zulassen, da war ich mir nicht sicher, so einsam wie die Kanone am Pistenrand herumstand. Für die Wasserversorgung würde jedenfalls die Lange Lauter herhalten; der Bach der sich hier durch das enge Tal schlängelt.
Dieses Tal war vor noch gar nicht all zu langer Zeit Teil von Gedankenspielen, den Salzberglift mit dem Lift in Schmiedefeld auf der östlichen Seite des Großen Eisenberges zu einer Skischaukel zu verbinden. Wenngleich Thüringen damit auf einen Schlag ein ausgewachsenes Skigebiet erhalten würde, bin ich nicht böse darum, dass diese Pläne eingeschlafen zu sein scheinen. Mit dieser Skischaukel würden zwei unvereinbare Welten aufeinanderprallen. Auf der einen Seite Schmiedefeld mit seinen vielen Anfängern die an dem leichten Lift optimale Bedingungen vorfinden und auf der anderen Seite Goldlauter mit seinen ambitionierteren Skifahrern.
Es bleibt zu hoffen, dass uns dieses skifahrerische Kleinod in dieser Form noch lange erhalten bleibt. Wenn die Vereinsmitglieder weiterhin so engagiert bei der Sache sind, mache ich mir da aber wenig Sorgen.