Zum ersten mal seit 1966 gibt es in NRW eine ganze Woche Pfingstferien. Nun sitze ich also bei schönstem Pfingstwetter in Bonn direkt am Rhein und denke doch ans Skilaufen. Obwohl bereits ein langes Himmelfahrtswochenende hinter den Rheinländern liegt und Temperaturen um die 30°C mehr zum Baden und Sonnen einladen, kann ich nicht unterschlagen, dass zu dieser Zeit 800 km Flussaufwärts am Vorderrhein und an der Rheinquelle noch Skigefahren wird.
Sowohl in Disentis wo der Vorderrhein zusammenläuft, als auch auf der anderen Seite des Oberalppasses der die Rheinquelle markiert, nämlich am Gemsstock bei Andermatt, werden zu Himmelfahrt und Pfingsten noch einmal die Lifte angeworfen. Natürlich ist der Betrieb zu den Frühlingsfeiertagen immer von den jeweiligen Schnee- und Wetterverhältnissen abhängig. Während man in Andermatt dieses Jahr noch Liftbetrieb bis Pfingsten anbieten konnte, ging sich dies für Disentis nicht mehr aus. Der warme Frühsommer forderte Tribut.
Dennoch ein Grund genug für mich, zurück zu blicken auf einen fantastischen Himmelfahrtstag in Disentis im Jahre 2012.
Mein letzter Besuch dort fällt also in die Zeit als ich noch in Konstanz studierte. Ich hatte erst kurz zuvor in Erfahrung gebracht, dass die Bergbahnen Disentis regelmäßig diese Art von Frühjahrsskilauf anbieten. Also beschloss ich, ein Auge auf den Schnee- und Wetterbedingungen zu behalten.
Am Tag vor Himmelfahrt wurde Disentis wurde Disentis mit bis zu 40cm Neuschnee bedacht und die Sonne sollte sich bald zeigen. Gut möglich, dass es einen solchen Tag die ganze Saison noch nicht gab, denn der Winter fiel in diesem Jahr, bis auf die Kältewelle im Februar, eher bescheiden aus. Spätestens mit diesen Prognosen war mir klar, dass ich den Feiertag zum Skifahren nutzen muss.
Und da ich unbedingt mit der ersten Gondel auf den Berg wollte, machte ich mich mit einer kurzen zeitlichen Kulanz, gegen 5 Uhr morgens von Konstanz auf den Weg ins westliche Graubünden. Kurz vor Acht an der Talstation angekommen, war es zunächst noch etwas nebelig. Die letzten Schneewolken hingen noch in den Bergen. Aber der frische Neuschnee glitzerte auch schon gelegentlich durch die aufgelockerten Wolkenfetzen.
Ich musste noch etwas auf die erste Fahrt warten. Mittlerweile hatten sich doch einige Skiverrückte auf dem Parkplatz eingefunden, so dass dann auch die erste Gondel auf den Berg komplett gefüllt wurde. Meter für Meter den sich die Kabine der Bergstation näherte stach immer mehr vom blauen Himmel hervor. Er sollte einen wunderbaren Skitag verheißen.
Bevor es aber auf die Piste gehen konnte, waren zunächst noch einige weitere Sektionen zu bewältigen.
Ein kurzer Fußmarsch war nötig – denn ein aufgebautes Förderband war bereits im Sommerschlaf – um zunächst zur Vierersesselbahn Caischavedra-Gendusas und im Anschluss daran, zur Sesselbahn Gendusas-Lai Alv zu gelangen. Bei den Verhältnissen fiel es allen Skifahrern sichtbar schwer an sich zu halten. Die Zeit im Lift wurde dann zum Großteil damit überbrückt, Selfies und Videos zu schießen um den selben Daheimgebliebenen die Zähne lang zu machen, die einen vorher noch dafür für verrückt erklärt hatten, zu dieser Jahreszeit noch Skifahren zu gehen.
Die zu bewältigende Liftkette verlangt aber tatsächlich Geduld, wenn unter dem Lift die unverspurten Tiefschneehänge locken. Seit Ende der regulären Saison um Ostern herum, haben sich nur ein paar vereinzelte Skitourengeher hierher verirrt. Der Neuschnee der letzten Tage war also nahezu unberührt und wartete auf mich und die Handvoll anderen Skifahrer im Lift.
Sobald die Sesselbahn aber die ersten Gäste an der Bergstation ausspuckte, dauerte es auch nicht mehr lang bis die ersten Spuren in den unberührten Hang unterhalb der Sesselbahn gezogen wurden. Dieser stellt normalerweise eine präparierte mittelschwere Piste dar.
Oberhalb von Lai Alv, das auf einer Höhe von ca. 2500m gewissermaßen den Mittelpunkt des Skigebietes darstellt, gibt es jedoch noch eine weitere Sektion. Der Schlepplift Péz Ault, dessen Bergstation sich auf einer Höhe von 2800m befindet, war am frühen Morgen allerdings noch nicht in Betrieb. So folgte ich also zunächst dem Beispiel der Sportler, die ich schon aus dem Lift beobachten konnte und wagte mich an den Tiefschneehang in Richtung Gendusas, der auf 2170m endet.
Da ich trotz der Vorhersagen dann doch nicht mit derart viel Neuschnee gerechnet hatte und zudem davon ausging, dass überall präpariert würde, hatte ich an dem Tag nur meine schmalen Ski dabei. Die Probleme die ich dann mit dem Tiefschnee hatte, lassen sich aber, wenn ich ehrlich bin, auf mangelndes technisches Vermögen meinerseits zurückführen. Ich hatte schon ein paar Probleme mich über „Wasser“ zu halten. Wobei Wasser hier der falsche Ausdruck ist. Trotz der starken Maisonne hielt der Schnee noch lange seinen trockenen, pulvrigen Aggregatzustand und firnte erst am Nachmittag richtig auf.
Als ich nach der ersten fordernden Runde wieder bei Lai Alv ankam, wurde endlich auch der Schlepplift zum Gipfel angeschmissen. Dieser bedient eine leichtere und vor allem präparierte Piste und bot mir somit Gelegenheit etwas zu entspannen und dabei das überwältigende Panorama zu genießen. Vormittags der Nebel im Tal, oben die frisch verschneiten Gipfel und dazwischen die Stauseen am Oberalppass.
Meine Mittagspause legte ich erst sehr spät ein, um noch möglichst lange, möglichst gute Bedingungen auf den Pisten zu erwischen.
Auf der Hütte bei Lai Alv wusste ich dann aber auch, weshalb ich mir morgens noch die Kindersonnenmilch mit Lichtschutzfaktor 50+ ins Gesicht geschmiert hatte und sicherheitshalber noch die farbenfrohe Zinkpaste aus den 80ern mitgenommen habe. In Verbindung mit dem grellen Neuschnee war die Maisonne erbarmungslos zu milchgesichtigen Mitteleuropäern, die sich einredeten, an einem Tag in den Bergen könne nicht viel passieren. Lustig anzusehen war es jedenfalls. Und die Stimmung auf der Hütte war sehr gelöst und freundlich. Da ist man zur Hauptsaison manchmal auch anderes gewohnt, wenn selbst das Essenfassen einem Kampf gleich kommt. Schnitzel – Currywurst – Bolo – Weizen – Zack – Zack – Zack „Ist hier reserviert“? – „Ja, da sitzen mein Vollvisierhelm und mein Rückenprotektor“.
Nach einer ausgiebigen Mittagspause dachte ich langsam daran, den Skitag zu beenden. Ich musste den Weg also wieder zurück über Gendusas und später Caischavedra nehmen.
Diesmal ersparte ich mir jedoch den schwierigen, und nun auch zerfahrenen direkten Hang unterhalb der Sesselbahn, den ich noch am Morgen befahren hatte. Ich entschied mich für die leichte und vor allem präparierte Außenrumabfahrt. Diese führte auch vorbei am – zu Himmelfahrt und Pfingsten leider geschlossenen – Sektor Dadens und Parlets. Dieser Sektor wird auch noch einmal durch eine Dreiersesselbahn und einen Schlepplift erschlossen. Er befindet sich in einer komplett eigenen Geländekammer. Etwas schade war es schon war es schon, dass der Bereich zu Himmelfahrt nicht dem Skipublikum geöffnet wurde. Aber angesichts der Jahreszeit und dem Gästeaufkommen doch verständlich.
Bis nach Caischavedra, also zur Bergstation der Zubringer-Pendelbahn auf ca. 1850m konnte man sich mit angeschnallten Ski herabkämpfen. Der Schnee wurde allerdings immer schwerer und aufgeworfener. Als ich wieder unten am Parkplatz ankam, waren beinahe alle restlichen Autos schon wieder verschwunden. Ich hatte den Skitag wirklich voll ausgeschöpft. Er wird mir im Gedächtnis bleiben.
Fazit zum (Früh-)Sommerskifahren allgemein:
Nun mag man sich also fragen, ob das denn wirklich sein muss. Mitte/Ende Mai Skifahren? Die großen Zeiten des Sommerskilaufes sind doch vorbei. Und überhaupt: Was ist mit dem Klimawandel? Was ist mit den schrecklichen Bildern von weißen Kunstschneebändern in brauner Landschaft? Ist sowas überhaupt vertretbar, oder einfach nur anachronistisch?
Wer seinen Freunden erzählt, er wolle im Mai Skifahren gehen, wird im besten Fall schräg angeschaut. Meist wird man jedoch für verrückt erklärt. Ganz rational gesehen ist der Mai aber sogar die weitaus bessere Zeit zum Skifahren als der Frühwinter.
Meist liegt im Mai jede menge Schnee. Meterhoch. Die Temperaturen sind angenehm und die Sonne lässt sich zuverlässig blicken und verschwindet nicht gleich um 2 Uhr hinter dem nächsten Bergrücken. Hinzu kommt, dass man sich die Pisten nicht mit tausenden anderen Skifahrern teilen muss.
Dagegen steht der Aufwand, der betrieben werden muss, um die Lifte schon Anfang Dezember öffnen zu können, völlig außer Verhältnis. Wenn die Schokonikoläuse in die Supermarktregale geräumt werden, steigt bei der breiten Skifahrermasse gleichsam das Verlangen, endlich wieder auf die Piste zu gehen. Für mich völlig nachvollziehbar nach einem meist viel zu langen Sommer.
Jedoch ist dies im November/Dezember auch die Zeit, zu der im Grenzbereich bei knapp unter 0°C die Schneekanonen angeschmissen werden müssen, um das lohnende Weihnachtsgeschäft abzusichern. Die Schneekanonen verbrauchen in dieser Zeit viel Strom, viel Wasser und doch birgt ihr Betrieb immer das Risiko, dass der ganze Aufwand umsonst gewesen sein könnte, wenn das berühmt berüchtigte Weihnachtstauwetter mal wieder voll durchschlägt.
Solche Auswüchse, die von den Wintersportorten trotz der bekannten Probleme von den Gästen erwartet werden, treiben gleichwohl auch die Preise in die Höhe. Ich habe mich daher mehr und mehr mit dem Gedanken angefreundet, nur noch dann Ski zu fahren, wenn es die natürlichen Schneeverhältnisse ohnehin zulassen würden. Und das ist allen Unkenrufen zum Trotz noch lange genug der Fall, wenn man nicht bereits Anfang Dezember die perfekten Pisten erwartet.
Wie ich selbst erleben durfte, kann man in den Hochlagen auch Mitte Mai noch hervorragend Ski fahren.