Welche Bedeutung Europa für den Wintersport hat

Vom 23. bis 26. Mai wurde in 28 europäischen Staaten ein neues Europaparlament gewählt. Ob Brexit, die Ibiza-Affäre, Fridays for Future, oder Artikel 13: Die Europawahl und die damit verbundenen Themen haben die Nachrichten der vergangenen Wochen bestimmt und sie werden uns noch einige weitere Wochen beschäftigen. Nun stehen die Ergebnisse fest und in Deutschland richtet sich der Blick vor allem auf den großen Wahlerfolg der Grünen. Europaweit zeichnet sich jedoch ein weniger eindeutiges Bild. Es stellt sich die Frage, welchen Einfluss der Ausgang der Europawahl auf den Wirtschaftsfaktor Winter- und Skitourismus hat. Der Versuch einer Einordnung:

Aber was hat Europa überhaupt mit uns Skifahrern zu tun?

Am deutlichsten zeigt sich der Einfluss Europas wohl an den Alpen, dem für den Skisport bedeutendsten Gebirge des Kontinents. Schon lange vor der EU und ihren Vorgängerorganisationen waren die Alpen eine Region die eine Schlüsselrolle im Verhältnis zwischen den Nationen der Anrainerstaaten gespielt hat. Sowohl im Positiven als auch im Negativen. Handelswege über Pässe, wie den Großen Sankt Bernhard oder den Brenner, verbanden schon im Mittelalter den nördlichen und den südlichen Teil Europas und ermöglichten wirtschaftlichen wie kulturellen Austausch. Andererseits waren die Alpen auch Schauplatz erbitterter Kämpfe, wenn man an die Gebirgsschlachten in den Dolomiten während des 1. Weltkrieges denkt. Noch heute sind die Spuren dessen zu besichtigen. Jedem Wanderer oder Skifahrer sollten sie eine Warnung sein.

Soldatenfriedhof am Karnischen Höhenweg

In der Nachkriegszeit nahm dann der Tourismus eine immer größer werdende Rolle ein. Was langsam anfing, nahm in den 60er und 70er Jahren richtig Fahrt auf. Einst verträumte und nicht selten verarmte Täler verwandelten sich in große Skidestinationen. Die Menschen konnten sich wieder mehr leisten und verbrachten ihren Winterurlaub in den Alpen. Immer mehr Lifte entstanden. Die Alpen sind heute das am dichtesten erschlossene Hochgebirge der Welt.

Mit Gründung der Europäischen Gemeinschaft und später der Europäischen Union, nahm diese natürlich auch Einfluss auf den Wintertourismus in den Alpen.

Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg dieses Wirtschaftszweiges ist vor allem der Europäische Binnenmarkt mit seinen vier Grundfreiheiten, dem freien Warenverkehr, der Personenfreizügigkeit, der Dienstleistungsfreiheit und dem freien Kapital- und Zahlungsverkehr. Gerade der grenzüberschreitende Tourismus profitiert von diesem enorm.

Wo auf der einen Seite der wirtschaftliche Erfolg steht, stehen auf der anderen Seite aber auch Eingriffe in sensible Bergregionen. Eine multinationale Zusammenarbeit findet sinnvollerweise also auch beim Thema Natur- und Umweltschutz statt.

Seit November 1991 gibt es zwischen den Alpenanrainerstaaten untereinander und der Europäischen Union mit der Alpenkonvention einen Staatsvertrag, der diese Dinge regeln soll. Inhaltlich besteht dieser aus verschiedenen Protokollen. Z.B. auch aus den für den Skitourismus wichtigen Protokollen „Naturschutz- und Landschaftspflege“ sowie „Tourismus“. Diese geben den Rahmen vor, an die sich die einzelnen Unterzeichnerstaaten möglichst halten sollen. Leider wurden die Protokolle bis heute noch nicht von allen Staaten unterzeichnet. Sowohl in der Schweiz als auch in Italien gibt es zu den einzelnen Punkten noch Klärungsbedarf. Sie haben die Protokolle noch nicht ratifiziert.

Ob Großskigebiete wie Ischgl den Geist der Alpenkonvention atmen, ist fraglich.

Am Beispiel der Schweiz zeigt sich aber auch, dass sich die europäische Zusammenarbeit nicht nur auf die Europäische Union beschränkt. So ist die Schweiz 2004 dem Schengener Abkommen beigetreten. Dieses Übereinkommen erleichtert den Reisenden schon seit 1995 den Grenzübertritt durch die grundsätzliche Abschaffung von Grenzkontrollen im Schengenraum. Viele werden sich noch an die Zeiten erinnern, als man an den Grenzen regelmäßig im Stau stand. Diese sind zum Glück längst vergessen. Nur 2015/2016 als Bayern vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise wieder Grenzkontrollen einrichtete, kamen diese unangenehmen Erinnerungen wieder hoch. Ein Ärgernis das wohl niemand auf Dauer hinnehmen möchte.

Offene Grenzen sind aber nicht alles. Ein weiteres mal kann man die Schweiz bemühen, um die Bedeutung der (richtigen) Währung für den Tourismus aufzuzeigen. Aus touristischer Sicht ist der starke Schweizer Franken mittlerweile ein Fluch. Die Schweiz ist umgeben von Euro-Staaten und hat seit jeher viele Gäste aus diesen Ländern begrüßen können. Seit dem Kursverfall des Euros im Jahre 2007 gehen die Gästezahlen aus diesen Ländern zurück. Viele Gäste können und wollen sich die Schweiz nicht mehr leisten. Schweizer Skigebiete müssen sich viel einfallen lassen um diesem Trend entgegenzuwirken. Eine Zeit lang haben es die Bergbahnen damit versucht, den Wechselkurs auf die Skipässe auf eigene Faust einzufrieren. Die Differenz haben sie aus eigener Tasche gezahlt. Man hoffte damals, dass sich der Euro schnell wieder erholen würde. Als sich diese Hoffnung zerschlug, ging man andere Wege. Etwa in Saas-Fee, wo man 2016 den Jahresskipass für unglaubliche 222 Franken anbot und damit einen Preiskampf entfachte der Beispiellos ist. Aber auch diese Strategie muss mittlerweile als gescheitert angesehen werden. Die Kosten für die Aktion waren zu hoch und die Verkäufe gingen über die letzten beiden Jahre zurück. Im nächsten Winter wird es das Angebot so nicht mehr geben.

Stattdessen sieht man auf den Parkplätzen italienischer oder österreichischer Skigebiete immer mehr Autos mit schweizer Nummernschildern. Für die, mit hoher Kaufkraft gesegneten, Schweizer, werden Ausflüge in die Nachbarländer immer attraktiver. Was den Einzelnen freuen mag, gibt schweizer Touristikern Anlass zur Sorge. Die erfindungsreichen Schweizer werden sich hier etwas einfallen lassen müssen.

Mein Auto an der Passstraße zum Bödele im Bregenzer Wald. Den Parkraum muss man sich hier mit immer mehr Schweizern teilen.

Für sie hat es in einigen Angelegenheiten aber auch Vorteile, nicht Mitglied der Europäischen Union zu sein. Eine Streitfrage, die sich nun schon über einige Jahre hinzieht, können sie entspannt aus der Ferne betrachten: es geht um die sogenannten Einheimischenrabatte. Viele Wintersportgebiete räumen Einheimischen bis heute teils erhebliche Rabatte auf den Kauf von Skipässen ein. Wer Einheimischer ist, wird dabei oft recht unterschiedlich definiert. Das reicht vom Bewohner eines bestimmten Dorfes bis zu allen Einwohnern eines Bundeslandes oder Kantons. Auch bei Schweizer Skiliftbetreibern eine eingeübte Praxis. Innerhalb der Europäischen Union wird diese aber mittlerweile durch die Dienstleistungsrichtlinie begrenzt. Sie verbietet Diskriminierungen von Dienstleistungsempfängern aufgrund deren Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz. Das hindert einige Bergbahnen bzw. Bergbahnzusammenschlüsse allerdings nicht, diese, auch in nationales Recht umgesetzte Richtlinie, mit fragwürdigen Begründungen zu umgehen. So stellen sich viele Betreiber in Österreich auf den Standpunkt, dass es sich um eine Verkehrsdienstleistung handeln würde, welche vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sei. Es bleibt abzuwarten wie sich dieser Konflikt entwickelt. In jedem Fall zeigt es den großen Einfluss der EU auf verschiedenste Bereiche des Wintertourismus.

Die Europäisierung des Wintertourismus wird auch von privater Seite immer weiter vorangetrieben. Zur nächsten Saison steht mit snowpass.com ein länderübergreifender Großraumskipass für Skigebiete in 9 Ländern in den Startlöchern. Neben den Alpenländern umfasst er sogar Skigebiete aus Portugal, Spanien, und Polen. Bisher halten sich die großen Skigebiete bei der Teilnahme an diesem Skipass noch zurück. Er umfasst vor allem die kleineren und mittelgroßen Skigebiete. Falls die Idee aber in der ersten Saison genug Skifahrer überzeugen sollte, darf man gespannt sein, wer sich in den kommenden Jahren diesem Projekt anschließen wird. Momentan ist der Pass wohl noch etwas für Individualisten.

Eine Chance für die Völkerverständigung ist er aber allemal. Schon in den klassischen Alpendestinationen trifft man auf immer mehr verschiedene Nationalitäten. Ob Süd-, Osteuropäer, oder Skandinavier. In der entspannten Urlaubsatmosphäre und beim Après-Ski ist es leichter Sympathien für Fremde zu entwickeln. Vielleicht verirrt sich ja auch der ein oder andere Alpenanrainer nach Spanien oder Polen.

Der Wintersport wird immer internationaler

Fazit

Das alles zeigt, dass die Alpen im Allgemeinen und der Wintertourismus im Speziellen, eng verbunden sind mit der Zukunft Europas. Probleme müssen in den Alpen gemeinsam gelöst und Chancen gemeinsam wahrgenommen werden. Ein Rückfall in die Zeiten nationaler Alleingänge verspricht dagegen keinen Erfolg.

Vor diesem Hintergrund ist der Ausgang der Europawahlen mit gemischten Gefühlen zu betrachten. Auf der einen Seite haben europakritische und populistische Parteien zwar Zulauf erhalten, auf der anderen Seite sind ihre Zugewinne aber auch nicht so groß ausgefallen, wie man befürchten konnte. Die pragmatischen und europafreundlichen Parteien haben, trotz Verluste der großen Volksparteien, noch eine große Mehrheit. Die Liberalen und Grünen konnten ihre Stimmenverluste kompensieren. Somit ist zu erwarten, dass auch weiterhin ein fruchtbarer Ausgleich zwischen Umweltschutz und wirtschaftlichen Weichenstellungen stattfinden wird.

2 Antworten auf „Welche Bedeutung Europa für den Wintersport hat“

  1. Mit anderen Worten, eigentlich ändert sich nichts. Mal hält man sich an geltendes Recht, mal wird es gebogen, mal ausgeweitet und mal eingeschränkt. Mal wird gefördert, mal nicht. Im Großen und Ganzen ein undurchschaubarer Dschungel. Die Entscheidungsgewalt liegt immer noch bei den Nationalstaaten und daran wird sich wohl auch langfristig wenig ändern.

    Mit Ausnahme der Gästestruktur und der offenen Grenzen hat Europa eigentlich kaum etwas (auf den ersten Blick) sichtbares für den Skibetrieb getan. Ausnahme, der Euro, dieser hat den Skiurlaub wesentlich verteuert. Vor allem in der Schweiz und in Italien. Das war allerdings in grauer Vorzeit, als ich meine Freizeitaktivitäten noch nicht selbst bezahlen musste ;-).

    1. Vielen Dank für deinen Kommentar.
      So könnte man es auch sehen. Du scheinst vor allem die umweltrechtlichen Dinge abzustellen. Das sehe ich im Prinzip ähnlich. Die Entscheidungsgewalt liegt am Ende natürlich immer bei den Nationalstaaten. Das bedingt schon das aktuelle europäische Konstrukt. Dass hier nicht alle Länder die gleiche Linie fahren ist evident. Aber ob es ohne diesen europäischen Überbau besser wäre, würde ich bezweifeln. Ich glaube schon, dass der europäische Rahmen eine gewisse Selbstbeschränkung bewirkt die sonst vielleicht nicht so gegeben wäre.

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