Und was der Hambacher Forst mit Schneedepots in Kitzbühel zu tun hat.
Wenn sich Marcel Hirscher und Felix Neureuther nächstes Wochenende den Rettenbachgletscher in Sölden herabstürzen, werden wieder tausende Menschen auf den Berg pilgern und noch mehr werden ihre Stars vor den heimischen Fernsehgeräten anfeuern. Wird es diese Saison jemand schaffen, die Dominanz von Marcel Hirscher zu brechen, oder holt er sich zum achten mal in Folge die große Kristallkugel für den Gesamtweltcup?
Für Sölden, aber auch für die anderen Skigebiete in Tirol oder anderswo, ist dieser Weltcup aber mehr als nur ein sportliches Highlight. Man will Lust auf die kommende Wintersaison machen; die Ausrüster wollen ihre neuesten Skimodelle und Funktionsjacken verkaufen. Jeder, der irgendwie im Wirtschaftszweig des Skitourismus engagiert ist, hofft auf schöne Bilder vom Rettenbachgletscher, um diese Lust auf den Winter zu befeuern. Am besten mit satt Schnee und Sonne zum Rennwochenende
In den letzten Jahren hat sich diese Hoffnung oft erfüllt. Und auch dieses Jahr könnten die Verantwortlichen Glück haben. Mitte nächster Woche könnte das endlose Hochdruckwetter von einer Kaltfront inklusive Neuschnee aus Norden abgelöst werden. Dann wäre zumindest die kosmetische Grundlage für schöne Bilder aus Sölden gegeben.
Die eigentliche Grundlage wurde jedoch schon in der letzten Saison gelegt. Die Bergbahnen Sölden betreiben hinter den Kulissen nämlich einen erheblichen Aufwand, um dieses alljährliche Spektakel auf die Beine stellen zu können.
Mit Planen und Schneekanonen gegen das Gletschersterben
Schaut man sich den Rettenbachgletscher heute an, so muss man leider feststellen, dass der Klimawandel hier bereits deutliche Spuren hinterlassen hat. Noch vor zehn Jahren schob sich der mächtige Gletscher in einem spektakulären Gletscherbruch über die Felsnase in der Mitte des Hanges, welche mittlerweile von Sommer zu Sommer immer weiter ausapert. Der Gletscher zerfällt langsam in seine Einzelteile und daran lässt sich kaum etwas ändern.
Um zumindest den vom Skibetrieb betroffenen Hang zu sichern, haben die Bergbahnen eine schlagkräftige Beschneiungsanlage am Pistenrand installiert. Darüber hinaus versucht man, den Schnee aus dem Frühjahr mittels Planen zu konservieren, was auch erstaunlich gut funktioniert. Im Herbst wird dieser Schnee dann wieder „ausgepackt“ und mittels Pistenbullys auf der Piste verteilt. Diese Art des „Snowfarmings“ wird mittlerweile auf vielen Gletschern betrieben. Etwa im Kaunertal, auf der Zugspitze, oder im benachbarten Pitztal.
Dort geht man sogar noch einen Schritt weiter und vertraut nicht nur auf die herkömmlichen Schneekanonen, welche erst ab Minusgraden Schnee produzieren können, sondern man hat in einen sogenannten Snowmaker investiert, welcher auch bei hohen Plusgraden Schnee, oder das was man dafür hält, herstellen kann. Der Schnee solcher Anlagen besteht eher aus kleinen Eisplatten, als aus Schneekristallen. Sinn macht die Produktion solchen Schnees natürlich erst ab Herbst, wenn der verteilte Schnee nicht gleich wieder wegschmilzt.
Dennoch zeigt der Aufwand, der hier betrieben wird, wie wichtig die Herbstsaison für einige Skigebiete ist.
Dieser Aufwand wird nun schon seit einigen Jahren betrieben, ohne dass sich jemand ernsthafter daran gerieben hätte. Gerade die Schneedepots die am Ende der Saison angelegt werden und teilweise mit Planen über den Sommer abgedeckt werden, haben ja auch etwas nachhaltiges an sich, wenn man dieses Modewort in dem Zusammenhang verwenden möchte. Der Schnee wird damit quasi recycelt.
Weniger Energieaufwand, als den ganzen Schnee erneut mittels Schneekanonen zu produzieren, will man meinen. Ob diese Rechnung tatsächlich aufgeht, weiß ich nicht. Es ist jedenfalls zu beachten, dass auch der Schnee für solche Schneedepots häufig extra mit Schneekanonen produziert wird. Außerdem muss der Schnee alljährlich einmal zusammengeschoben und ein weiteres mal dann wieder auf der Piste verteilt werden. Dies geschieht mit Pistenbullys, die bei ihrer Arbeit auch wieder einiges an Dieselkraftstoff schlucken.
Kitzbühel treibt es auf die Spitze
All das weil es der Gast so will. Oder weil man glaubt, dass es der Gast so will. Das war auch die Begründung der Kitzbühler Bergbahnen dafür, dass man vergleichbare Aktionen mittlerweile auch auf den Grasbergen von Kitzbühel durchführt. Seit letztem Wochenende kann man dort am Resterkogel auf 1,6 km Pisten Skifahren. Die Meereshöhe dort beträgt nicht einmal 2000m. Die Szenerie dort erinnert schon stark an die „Piefke-Saga“ und dessen ist man sich auch bei den Bergbahnen bewusst. Trotzdem hält man an der Praxis fest. Dies scheint sich sogar auszuzahlen. Zahlreiche Skiclubs und Frühstarter nutzen die Gelegenheit und müssen nun nicht extra auf die Gletscher fahren. So könnte man argumentieren, dass hiermit sogar CO2-Emissionen eingespart wurden, da die Anfahrt für die Skifahrer nicht mehr so lang ist.
Nichtsdestotrotz ist man fast geneigt zu fragen, weshalb Orte wie Kitzbühel eigentlich selbst kräftig daran arbeiten, den Skisport in Verruf zu bringen? Für ein wenig Geld mehr in der Tasche und für die Aufmerksamkeit, derer sie sich jedes Jahr aufs neue Sicher sein können, schrauben sie selbst am Niedergang des Skisports in seiner derzeitigen Form. Der Gegenwind wird merkbarer.
Der Hambacher Forst ist auch nur ein Symbol
Gerade die Deutschen werden in Umweltfragen immer sensibler. Manchmal kann schon ein Symbol ausreichen, um die öffentliche Meinung in eine Richtung ausschlagen zu lassen, mit der vorher niemand gerechnet hat.
Bestes und aktuellstes Beispiel ist der Wirbel um den Hambacher Forst, dem Braunkohletagebau westlich von Köln. Jahrelang haben sich hier nur ein paar wenige Umweltschützer gegen den Braunkohleabbau engagiert, ohne dass eine breitere Öffentlichkeit davon Notiz genommen hätte.
Aber als es nun konkret werden sollte und die restlichen Bäume des verbliebenen Waldes dem Tagebau zum Opfer fallen sollte, hat sich eine breite gesellschaftliche Bewegung gegen die Pläne des Energieversorgers und gegen alle politischen und gerichtlichen Entscheidungen der letzten Jahre aufgestellt. RWE musste im Zuge dessen mit zahlreichen Kündigungen, dem Einbruch des Aktienkurses und zu letzterem noch mit einer negativen gerichtlichen Entscheidung umgehen. Das hatte man sich auch anders vorgestellt.
Das was die Menschen gegen RWE auf die Straßen getrieben hat, ist eigentlich auch nicht mehr als ein Symbol. Der Wald, dessen Schönheit und dessen Wert die Menschen erst jetzt entdeckt zu haben scheinen, steht als Symbol für die Opfer von wirtschaftlichen Interessen, denen er nun weichen muss. Ob dieser Wald gerodet wird, oder nicht, macht eigentlich keinen Unterschied. In Deutschland findet man immer noch zahlreiche Naturschätze und etliche alte Wälder. Die Waldfläche nimmt in Deutschland sogar zu. Auch wird das Weltklima nicht gerettet, wenn RWE auf die Verstromung der dortigen Braunkohle verzichtet. Trotzdem haben die Ereignisse am Hambacher Forst dazu geführt, die Akzeptanz der Kohleverstromung und die Rodung von Wäldern für diesen Zweck, nachhaltig zu zerstören.
Wie sieht die Zukunft des Skisports aus?
Wenn man nicht aufpasst, geht es dem Skisport ähnlich. Schon länger befindet er sich im Fadenkreuz von Umweltschützern. Teilweise zu Recht. Und bald könnte er auch auf eine gesellschaftliche Ächtung zulaufen, die man sich heute noch nicht ausmalen möchte.
Übrigens: Es liegen bereits konkrete Pläne in der Schublade, den Pitztaler Gletscher mit den beiden Gletschern in Sölden zu verbinden und so eine riesige Skischaukel zu schaffen. Man will hier das größte Gletscherskigebiet der Alpen schaffen und seine Marktstellung beim Herbstskilauf festigen. Fraglich, ob man hier die Zeichen der Zeit erkannt hat.
Vielleicht muss sich aber auch erst in den Köpfen der Skifahrer etwas ändern, um solchen Auswüchsen Einhalt zu gebieten. Mein Plädoyer im letzten Artikel, für den Frühjahrsskilauf, wäre möglicherweise ein Anfang. Dass man wieder dazu kommt, dann Skifahren zu gehen, wenn Schnee liegt und nicht dann, wenn uns von Marketingmenschen eingeredet wird, dass Schnee liegen würde.